Psychopharmaka – Segen oder Fluch?
Eine Behandlung mit Psychopharmaka ist ein heiß diskutiertes und mit vielen Ängsten verbundenes Thema. Letztendlich unterscheiden sich die Meinungen von Ärzten durch ihr jeweiliges Verständnis, wie sie sich psychische Erkrankungen erklären - aus einem eher biologisch-somatischen oder eher seelisch-psychosomatischen Krankheitsverständnis heraus. Meiner Erfahrung nach können psychosomatische Erkrankungen in den meisten Fällen ohne Medikamente gut behandelt werden. Psychotherapie ist ein hoch wirksames Instrument, durch das bei aktiver Mitarbeit des Betroffenen vieles sehr gut geheilt oder gelindert werden kann. Durch langjährige Erfahrung im klinischen und ambulanten Setting weiß ich allerdings auch, dass bei besonders schweren Verläufen Psychotherapie allein nicht ausreichend sein kann. Bei einem schwer depressiven Menschen kann z.B. das Denken so stark eingeengt sein, dass es dem Betroffenen unmöglich ist, einen neuen, hoffnungsvolleren Gedanken zuzulassen. Auch ein Mensch, der gar nicht mehr schläft, kann von Psychotherapie kaum profitieren. Ebenso kann Suizidalität so stark sein, dass der Betroffene mehr Halt und Unterstützung benötigt.
Stellen Sie sich vor, ein Mensch schwimmt in einem stürmischen Meer, vielleicht sogar schon sehr lange. Er ist völlig erschöpft und kämpft nur noch darum, seinen Kopf über Wasser zu halten. Es macht wenig Sinn in einer solchen Situation, mit dem Betroffenen zu untersuchen, in welche Richtung er schwimmen könnte, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Er benötigt vielmehr vorrübergehend einen Rettungsring, damit er stabil mit dem Kopf über Wasser bleiben, Kraft tanken und dann weiterschwimmen kann – möglichst natürlich in die richtige Richtung. Eine vorübergehende Medikation ist nichts anderes als dieser Rettungsring. Er nimmt nicht die Arbeit des Schwimmens und des Suchens nach dem „richtigen“ Weg ab. Er löst nicht die anstehenden Probleme. Er unterstützt nur und ermöglicht dadurch eine Lösungsfindung.
Aus meiner Praxis weiß ich, dass viele Menschen große Angst vor Psychopharmaka haben. Es gibt diverse (zum Teil auch sehr begründete) Bedenken vor Abhängigkeit, Abgestumpftheit, Nebenwirkungen und vielem mehr. Deshalb ist es mir sehr wichtig Sie ausführlich aufzuklären und zu beraten. Letztendlich entscheiden Sie selbst, ob und was Sie sich vorstellen können.